
Keine Infrastrukturschulden für unsere Kinder!
Rede zur Fraktionsmotion vom 17. September 2025.
Die eidgenössische Finanzpolitik erinnert im Moment stark an eine Familie, die etwas exotisch mit ihrem Geld haushaltet. Diese Familie ist überdurchschnittlich gut situiert und hat nur eine kleine Hypothek auf ihrem Haus. Die Hypothek ist nicht besonders teuer, sie ist sogar ausserordentlich günstig im Vergleich zu den Hypotheken vieler befreundeter Familien. Die Zinsen machen nur einen ganz kleinen Teil der laufenden Kosten aus, trotzdem zahlen die Eltern jeden Rappen, den sie nicht für fixe Kosten ausgeben, direkt in die Amortisation dieser Hypothek ein. Sie sind dabei so streng mit sich selbst, dass sie den Kindern am Ende des Jahres sagen müssen: Für eure Weiterbildung reicht das Geld leider nicht, der alte Benziner bleibt, ein modernes Elektroauto können wir uns nicht leisten, und Spenden an das Hilfswerk Médecins Sans Frontières liegen ganz sicher nicht drin. Sie sehen, diese Familie ist nicht arm, sie hat Geld, aber sie setzt es falsch ein. Sie denkt nur daran, die Schulden so schnell wie möglich abzubauen, und vergisst dabei, in die Zukunft ihrer Kinder und in die Weiterentwicklung der Infrastruktur zu investieren.
Genau so funktioniert heute unsere Finanzpolitik mit der wohl strengsten Schuldenbremse der Welt. Die Schweiz hat im internationalen Vergleich eine vorbildlich tiefe Verschuldung von 25 Prozent gemessen am BIP. Dieser Wert liegt weit unterhalb der im Maastricht-Vertrag festgelegten Obergrenze von 60 Prozent und ist fast viermal niedriger als der EU-Durchschnitt von 91 Prozent. Und die Nettoschuldenquote der Eidgenossenschaft sinkt weiter, das zeigt der eben publizierte Finanzplan, und zwar um satte 1,5 Prozentpunkte des BIP innerhalb von nur fünf Jahren.
Es kommt noch absurder: Überschüsse aus der Vergangenheit legen wir fein säuberlich auf ein spezielles Konto, das sogenannte Ausgleichskonto. Dieses Geld wird nie angerührt, auch nicht, um Schulden auszugleichen. Wir tun so, als gäbe es dieses Geld schlicht nicht. Gleichzeitig fliesst jeder Rappen, der in der laufenden Rechnung übrig bleibt, stur in den Schuldenabbau. Das ist immens. Die Anwendung der Schuldenbremse wird auf Gesetzesebene zudem weit strenger geregelt, als es die Verfassung vorsieht. Das mutet etwas komisch an inmitten einer Phase der Multikrisen, wie sie unser Land seit dem Zweiten Weltkrieg wohl nicht mehr erlebt hat. Viele Länder beneiden uns zwar, aber sie verstehen uns wohl kaum. Wir verhalten uns nämlich so, als stünden wir kurz vor dem Staatsbankrott.
Das ist nicht vernünftig, das ist eine Form der Selbstblockade. Wir bremsen uns selbst aus, obwohl wir Spielraum hätten. Wir alle wissen, dass die Herausforderungen unserer Zeit enorm sind: Wir müssen unsere Infrastruktur modernisieren, in Bildung investieren, unsere Wettbewerbsfähigkeit sichern; wir müssen die Grundlage unseres Lebens mit Klima- und Biodiversitätszielen schützen und wir müssen unseren wichtigsten Sicherheitsvorteil pflegen, nämlich die internationale Zusammenarbeit, mit der wir als kleines Land und als Gastland der UNO und Depositarstaat der Genfer Konventionen besonders verbunden sind. All das kostet Geld, aber es ist eine Investition, die sich langfristig auszahlt.
Die Motion, über die wir heute diskutieren, will genau das ermöglichen. Sie hebt weder die Schuldenbremse auf, noch will sie unkontrollierte Ausgaben, sondern sie will ganz einfach, dass wir mit Vernunft handeln. Es geht darum, zu vermeiden, dass wir unseren Kindern Schulden für die Infrastruktur hinterlassen.