Die Schweiz kuscht vor der US-Politik, die derzeit von einem erratischen, egomanen Despoten bestimmt wird. Der Bundesrat hat die überfällige Regulierung von Tech-Plattformen auf Eis gelegt – angeblich, um Donald Trump nicht zu verärgern. Während Google, Meta und TikTok in Europa längst enger an die Leine genommen werden, bleibt die Schweiz Zuschauerin auf der Tribüne der digitalen Selbstentmündigung. Hassrede, Desinformation, Empörungswellen – all das passiert auch bei uns. Doch statt zu handeln, verschiebt der Bundesrat. Aus Rücksicht auf diplomatische Befindlichkeiten? Das ist nicht klug, das ist gefährlich.

Zusammenhalt, Jugend und Demokratie stehen auf dem Spiel

Der digitale Raum ist längst kein neutrales Spielfeld mehr. Er ist ein geopolitisches Minenfeld – dominiert von Konzernen mit gigantischer Marktmacht. Ihre Algorithmen sind keine technische Spielerei, sondern systematische Verstärker. Sie kuratieren, selektieren, dirigieren die Sichtbarkeit. Nicht das Wahre, Kluge oder Wichtige steht im Zentrum – sondern das Aufwühlende, Polarisierende, oft schlicht Falsche. Warum? Weil es mehr Aufmerksamkeit bringt. Mehr Klicks. Mehr Profit. Und der Preis?Gesellschaftliche Polarisierung , Gefährdung der psychischen Gesundheit vor allem bei unserer Jugend, Abbau unserer demokratischen Resilienz.

Wie ernst das ist, zeigt Rumänien: Dort mussten die Wahlen annulliert werden, weil russische Propaganda auf TikTok die politische Debatte derart verzerrt hatte, dass faire Abstimmungen nicht mehr möglich waren. Gross angelegte Manipulation – in Echtzeit, mitten in Europa. Das ist keine Dystopie. Das ist Gegenwart. Es geht also nicht nur um Netzregeln oder Plattform-Etikette. Es geht um die Hoheit über unseren Informationsraum. Es geht um Sicherheit.

Geschäftsmodell: maximale Aufregung

Natürlich ist Regulierung anspruchsvoll. Natürlich braucht es Meinungsfreiheit. Aber wer das Geschäftsmodell dieser Plattformen kennt, weiss: Es geht nicht um freien Austausch, sondern um maximale Aufregung. Wer dem nichts entgegensetzt, kapituliert. Darum braucht es endlich klare Regeln: Transparenzpflichten für Algorithmen. Verantwortung für Plattformen. Schutz für Kinder und Jugendliche. Meldewege bei Hassrede und deren strafrechtliche Verfolgung. Und vor allem: Eine digitale Ordnung, die mit der Demokratie kompatibel ist.

Aber dabei darf es nicht bleiben. Die Schweiz muss mehr wollen, mehr können – und vor allem: Mehr selbst tun. Wir haben einen hoch innovativen Werkplatz mit höchst innovativen Firmen in Bereichen des Cloud-Computing, der Kryptographie, der KI oder des Quantencomputing. Wir haben Weltklasse-Hochschulen, eine Berufsbildung, um die uns viele Länder beneiden. Es gibt keinen Grund, den virtuellen Raum einer Handvoll Multimilliardären in Übersee oder dem chinesischen Staatskapitalismus zu überlassen.

Gemeinsame Werte versus privaten Profit

Wir brauchen Alternativen. Eigene digitale Infrastrukturen. Räume, die gemeinwohlorientiert funktionieren. Digitalen Service Public. Plattformen, die unseren Werten entsprechen – und nicht ausschliesslich den Profiteuren globaler Kapitalrenditen.

Es geht also nicht darum, das Silicon Valley zu kopieren. Es geht darum, selber flügge zu werden und die digitale Welt zu gestalten. Folgen und Einflüsse unserer Demokratie machen nicht an der Landesgrenze halt – und erst recht nicht an der Bildschirmkante!

Hinweis: Dieser Text ist als Gastbeitrag in der Zeitschrift Agéfi erschienen