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Die neue E-ID muss Vorbild sein
Am neuen Anlauf für eine staatliche, vertrauenswürdige E-ID ist vieles bemerkenswert, aber es gibt auch ein Risiko.
«Das ist tatsächlich und offensichtlich ein sehr erfreuliches Geschäft», eröffnete Bundesrat Beat Jans seine Würdigung der E-ID im Nationalrat, das wir digital-affinen Ratsmitglieder aus allen Fraktionen vor nunmehr drei Jahren auf den Weg gebracht hatten. Mit wuchtiger Mehrheit und grosser Euphorie aus allen Ecken – auch von denen, die sich beim Referendum noch gegenüberstanden – wurden diesen Frühling nicht nur das E-ID-Gesetz, sondern auch die diversen aus dem Nationalrat eingebrachten Verbesserungen durchgewunken. Im Herbst folgt der Ständerat, voraussichtlich ohne viel Federlesens.
Agile Vernehmlassung: partizipativ, iterativ und transparent
Das ist bemerkenswert. Es ist aber auch nicht dem Zufall geschuldet, sondern einem für den Bund ungewöhnlich transparenten, iterativen und partizipativen Ansatz der Co-Kreation. Zuerst hat der Bundesrat sehr schnell den Ball aufgenommen und unsere Motion nicht nur zur Annahme empfohlen, sondern direkt mit der konzeptionellen Arbeit begonnen. Im Herbst 2021, im Rahmen eines Bundesrats-Beiratstreffens, wurde dann der Grundstein gelegt für das Community-Buildung, das Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Industrie und die Verwaltung aller Couleur zusammengebracht hat und via Foren und monatlichen Onlinemeetings ein breit abgestütztes Gesetz und parallel dazu hochstehende Diskussionen zu technischen Lösungsansätzen ermöglichte.
Es mag sein, dass der gewählte Weg für das verantwortliche, höchst engagierte Bundesamt für Justiz etwas aufwändiger war als traditionelle Vernehmlassungen. Dafür war die politische Konsensbildung umso einfacher. Die digitalen Grossbaustellen wie das Elektronische Patientendossier (EPD), die Mobilitätsdateninfrastruktur oder die Swiss Government Cloud wären prädestiniert, auf dem genau gleichen Ansatz aufzubauen. Gerade dem EPD täte eine Revitalisierung durch einen solchen Community-Schub gut.
Eine Infrastruktur, die weit mehr ist als ein Online-Ausweis
Ab 2026 wird uns nun nicht nur die kostenlose E-ID zur Verfügung stehen, sondern eine ganze Vertrauensinfrastruktur. Gebaut mit Open Source Software unter der Kontrolle des Bundes. Im ebenfalls vom Bund kostenlos zur Verfügung gestellten digitalen Wallet wird die E-ID als «Königin der Ausweise» sicher einen privilegierten Platz einnehmen. Daneben sind aber auch Zertifikate, Diplome oder andere Nachweise möglich. Der Kanton Appenzell hat mit einem Pilotprojekt bereits den Lernfahrausweis in diesem Sinne digitalisiert. Auch das ist ein Novum: Was dereinst für die gesamte Schweiz ausgerollt werden soll, wird schon unter sehr realitätsnahen Bedingungen getestet.
E-ID Authentizität als Währung in KI-Cyberspace
Die Relevanz einer vertrauenswürdigen, amtlichen und gleichzeitig datensparsamen E-ID als wichtiger Basisdienst im Cyperspace ist kaum zu überschätzen. Natürlich werden damit die vielen nervigen Medienbrüche endlich einfacher aus der Welt geschafft, klar. Aber es geht um mehr: Wir sind inmitten einer beeindruckenden KI-Revolution, die das synthetische Generieren von höchst professionellen multimedialen Inhalten demokratisiert. Was echt ist und was nicht, wird immer schwieriger auseinanderzuhalten. Es wird deshalb dringlich, der Allgemeinheit ein Werkzeug zur Verfügung zu stellen, um die Authentizität eines digitalen Artefakts nachweisen zu können, um nicht von Deepfake überrollt zu werden.
Es wurde so viel richtig gemacht bei diesem Geschäft. So viel, dass jetzt eines der grössten Risiken überhöhte Erwartungen sind. Aber auch dagegen hilft ein Learning aus dem E-ID-Projekt: Kleine Schritte, Mitsprache und Transparenz!
Hinweis: Dieser Text ist als Parldigi-Kolumne auf Inside-IT erschienen