Philippe Schwab, Generalsekretär der Bundesversammlung, verlässt den leeren Nationalratssaal. Keystone
Nein, ich habe keine träfen Sprüche parat, was wir alles hätten besser machen können bei der Bewältigung der Corona-Krise und wie genau jetzt in den kommenden Wochen das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben wieder in Schwung gebracht werden soll. Bei aller Kritik an der Landesregierung – die wir durchaus auch kundgetan haben – gelingt der Balanceakt zwischen krass einschneidenden Massnahmen und einer gleichzeitigen Lockerheit den Umständen entsprechend gut. Und es geht sowieso nur mit Herantasten.
Ich bin dankbar. Dankbar, dass meine Liebsten – Houz arüere – bis jetzt vom Virus verschont geblieben sind und dass wir als Gesellschaft die “Infektionskurve glätten” konnten. Dankbar, dass sich viele Menschen hinter den Kulissen dafür anstrengen, um uns alle mit dem Wichtigsten und darüber hinaus vielem mehr zu versorgen. Und ich bin den vielen Menschen dankbar, die sich einem erhöhten Risiko aussetzen, um anderen zu helfen. Allen voran das Gesundheitspersonal!
Wir befinden uns in einer historischen Lage. Und damit geht das Potential einher, grosse Fragen debattieren zu dürfen – zu müssen. Und neue Lösungen zu entwickeln. Das verstehe ich auch als Aufgabe des Parlaments, welches in einer Sondersession im Mai wieder tagen wird. Eine kleine Auswahl:
Was ist, wenn die globale Versorgungskette abbricht, brauchen wir nicht viel mehr eigene Landwirtschafts-, Energie- oder Gesundheitsversorgung? Wollen wir ernsthaft die Flugbranche unterstützen, die sich vehement gegen mehr Kostenwahrheit sträubt? Nachdem innert Kürze der Beweis erbracht wurde, dass es mit weniger Pendlerverkehr auch ginge: Sollten wir Arbeitsplatz und Wohnort nicht grundsätzlich mit mehr Home- und Village-Office wieder näher aneinander bringen? Haben wir mit Corona eine Krise erlebt, die neue Gründe für die Einführung eines unbürokratischen Grundeinkommens für alle birgt?
In den kommenden Monaten müssen wir dem Reflex widerstehen, um jeden Preis zu der alten Wirtschaftsordnung zurückzukehren. Der Druck und die Verlockung dazu werden gross sein. Nur: “zurück” heisst keinen Schritt nach vorne! Diesen müssen wir aber gehen, denn die ökologische Krise ist nur aus den Schlagzeilen, nicht aber als Realität verschwunden. Ganz im Gegenteil. Wir steuern auf einen ähnlich trockenen Sommer zu wie im 2018. Grosse Ernteausfälle dürften die Folge sein, auf der ganzen Welt.
Ich bin deshalb der festen Überzeugung, dass wir die Wiederbelebung der Wirtschaft und die Impulsprogramme mit den Nachhaltigkeitszielen verknüpfen müssen. Denn ist die finanzielle Munition einmal verschossen, wird das nicht so einfach ein weiteres Mal möglich sein. Aus einer Minderheitsposition heraus wird diese Forderung natürlich schwierig sein. Dafür kämpfen werde ich mit meinen Kolleg*innen jedoch mit noch mehr Herzblut!

Für die, die es bis hierhin geschafft haben, hier dennoch ein kleines Update der Frühlingssession.

Eine Session mit ungewissem Start und einem jähen Ende.

Ein Auf und Ab hat uns Parlamentarier*innen in dieser Session begleitet. Ich war froh, dass die Session doch ganz ordentlich beginnen konnte. Auch wenn das Bundeshaus wegen all den abwesenden Lobbyisten, Besucherinnen und Medienleute unglaublich ruhig war und wir “unter uns” tagen und arbeiten konnten, hing dennoch das Damoklesschwert des Corona-Stopps über uns. In den letzten Tagen der zweiten Woche verschlechterte sich die Stimmung im Stundentakt. Am Sonntag vor der dritten Woche war klar: Eine Weiterführung ist unmöglich.
Dennoch konnten wir in der kurzen Session wichtige Geschäfte beraten:

  • Leider nicht überraschend wollte der Nationalrat nichts von einem Verbot der Kriegsmaterialfinanzierung wissen. Nationalbanken und Pensionskassen sollen weiterhin Kriegsmaterialfirmen finanzieren dürfen. Einen Gegenvorschlag findet der Rat unnötig. Schade.
  • Die Crypto-Affäre wollte der Rat nicht behandeln. Unsere dringliche Fraktionsinterpellation wurde in eine dringliche Anfrage umgemünzt und vom Bundesrat beantwortet, als wäre nichts geschehen.
  • Die beiden wichtigen Vorlagen – Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose oder das CO2-Gesetz – konnten in der Frühlingssession nicht (zu Ende) beraten werden. Da die Corona-Session vielleicht gar nicht so viel zu beschliessen hat, hoffen wir derzeit darauf, dass wir diese Geschäfte im Mai über die Bühne kriegen.
  • Einen kleinen persönlichen (Milliarden-) Erfolg darf ich verzeichnen: Ich weiss nicht, ob der Bundesrat wegen meiner Frage auf die Idee gekommen ist. Auf jeden Fall hat es mich sehr gefreut, dass nach einer wenig berauschenden Antwort dennoch die 6.8 Milliarden CHF BVG-Arbeitgeberbeitragsreserven, die in vielen Unternehmen gebunkert sind, für die Beiträge der Arbeitnehmenden zugänglich gemacht wurden.

Wer noch mehr Informationen zu den Sessionsgeschäften möchte, kann die Sessionstageszusammenfassungen auf parlament.ch lesen.