Für eine lokalere, nachhaltigere und widerstandsfähigere Wirtschaft!
Während der ausserordentlichen Session im Mai 2020 hat der Nationalrat über die Nachträge zum Voranschlag 2020 im Zusammenhang mit der Corona-Krise debattiert. Ich habe dabei die Position der Grünen Fraktion vertreten:
Unternehmen, Freischaffende und Start-ups brauchen finanzielle Unterstützung
Sie kennen vielleicht die Karikatur von Steinzeitmenschen, die im Schlepptau mühselig einen grossen Haufen Steine hinter sich herziehen. Ein Kollege steht daneben und bietet ihnen an, das eben neu erfundene Rad zu verwenden, um besser vorwärtszukommen. Die schuftenden Arbeiter lehnen dankend ab und quittieren lapidar: «Wir haben keine Zeit, wir sind zu beschäftigt.»
Auch unsere Nation ist intensivst damit beschäftigt, die Wirtschaft so schnell wie möglich wieder in die Gänge zu bringen. Wir werden diese Woche immense und berechtigte Unterstützungsmassnahmen beschliessen, die das überhaupt erst möglich machen und die die Sorgen vieler Menschen in dieser schwierigen Zeit lindern. Gerade Menschen in alternativen Erwerbsverhältnissen wie Start-up-Unternehmerinnen, Künstler oder Freischaffende haben besonders grosse finanzielle Einbussen zu erleiden. Aber auch viele Unternehmerinnen und Patrons werden aus Sorge um ihr Personal, um das Unternehmen und um die eigene wirtschaftliche Existenz von schlaflosen Nächten geplagt. Die Krise wird stark betroffenen Branchen einen enormen Zusatzeffort abverlangen, und die Massnahmen werden grosse Löcher in die öffentlichen Kassen reissen, die es dann auch wieder zu schliessen gilt.
Unterstützung hin zur Kreislaufwirtschaft
Gleichzeitig stehen wir mitten in der Bewältigung der Jahrhundertökokrisen. Umweltkatastrophen und Hitzerekorde sind nur vorübergehend aus den Schlagzeilen verbannt worden. Der Klimawandel und die damit verbundenen Konsequenzen wie der Kulturlandverlust oder der massive Artenschwund haben sich auch ohne unsere mediale Aufmerksamkeit weiter verschärft.
Wir müssen also eine Politik entwickeln, welche der Wirtschaft die Erholung von der Corona-Krise erlaubt und gleichzeitig den Ausstieg aus den fossilen Ressourcen hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft ermöglicht – einer Kreislaufwirtschaft, die langfristig und damit auch für die kommenden Generationen überlebensfähig ist. Dabei dürfen wir niemanden hängenlassen.
Die Grünen für eine Schuldenbremse mit Augenmass
Wir Grünen werden uns deshalb dafür einsetzen, dass die KMU und die Haushalte in der Krise nicht zusätzlich mit höheren Sozialabgaben belastet werden. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Investitionen in die Energiewende möglich bleiben. Wir werden uns gegen staatlich subventionierten Strukturerhalt ökologisch höchst problematischer Wirtschaftszweige stemmen; Beispiele sind die unnützen und wenig rentablen Kurzstreckenflüge oder der überbordende interkontinentale Massenverkehr.
Konkret bedeutet das, dass wir uns für eine Schuldenbremse mit Augenmass engagieren. Würden wir nämlich blind den Regeln der Schuldenbremse folgen, wären bei den derzeitigen wirtschaftlichen Prognosen Sparprogramme in der Höhe von 20 Prozent bei den ungebundenen Ausgaben nötig. Drastische Kürzungen in der Landwirtschaft, in der Forschung und Bildung, in der internationalen Zusammenarbeit, in der Kultur, im Sport und in vielen weiteren Bereichen wären die Folge. Damit wären auch die nachgelagerten Wirtschaftszweige hart getroffen.
Wir waren in den vergangenen Jahren finanzpolitisch vorbildlich und hatten wohl auch etwas Glück. Sogar wenn wir allen derzeit prognostizierten Ausfällen ausschliesslich mit Schuldenbildung begegnen würden, wären wir nach wie vor innerhalb der Maastricht-Kriterien. Damit wir uns dennoch nicht übermässig verschulden und gleichzeitig dringend notwendige Investitionen zur Erhaltung unserer Lebensgrundlage verhindern, sollten wir auch Reserven einsetzen. Die Schweiz hat zwar die Last einer starken Währung, damit aber auch finanzielle Möglichkeiten, die anderen Ländern nicht zur Verfügung stehen. Die Schweizerische Nationalbank konnte Reserven in der Höhe von 84 Milliarden Franken für künftige Gewinnausschüttungen an die Kantone und den Bund bilden. Gemäss dem kurz vor der Corona-Krise verhandelten Auszahlungsregime von 4 Milliarden Franken pro Jahr reicht die Summe also für mehr als zwanzig Jahre.
Für eine raschere Auszahlung der SNB-Gewinne
Wir fordern eine raschere Auszahlung dieser Gewinne, die verfassungsmässig der öffentlichen Hand gehören. Das beeinträchtigt in keiner Weise die Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit der Nationalbank, denn um Währungsschwankungen auszugleichen, hat die Nationalbank weitere Reserven in ähnlicher Höhe gebildet. Genauso, wie wir von jedem weitsichtigen Unternehmen erwarten, dass es in schlechten Zeiten auf seine Reserven zurückgreift und in den Bereichen aufräumt, in denen sich sowieso eine Änderung aufdrängt, müssen wir auch in der Politik handeln. Wir investieren damit in die Zukunft. Das macht es dereinst auch einfacher, neue Reserven zu erwirtschaften und Schulden wieder abzubauen.
Um auf die Karikatur der Steinzeitmenschen zu Beginn meiner Ausführungen zurückzukommen: Wir sollten es vermeiden, unüberlegt und um jeden Preis blind aufzuholen, was durch die Corona-Krise verpasst wurde. Wir müssen weitsichtiger sein und unsere Wirtschaft jetzt auch lokaler, nachhaltiger und damit widerstandsfähiger machen, um für die nächste Krise besser gewappnet zu sein. Wir haben die Mittel dazu, und wir Grünen haben auch den nötigen politischen Willen dazu.