Was noch vor drei Monaten als unvorstellbar galt, wurde zum Alltag von vielen Menschen in der Schweiz: das Home Office. Von einem Tag auf den andern mussten etliche Unternehmen, Verwaltungen und Dienstleister ihren Betrieb komplett umstellen, technische Herausforderungen in kürzester Zeit meistern und neue Formen der Zusammenarbeit erfinden. Arbeitnehmende mussten zu Hause eine Büroecke einrichten, den Tagesablauf neu aufgleisen und den Kaffeemaschinentratsch auf eine Chat -Gruppe verlegen. Wir haben gerade einen Crash-Kurs in Home Office durchgemacht.

Nebst all den organisatorischen Herausforderungen – wie bringe ich Kinderbetreuung, Fernschule und Arbeit unter einen Hut – hat Home Office durchaus auch Vorteile: mehr Autonomie und Motivation, ungestörtes und produktiveres Arbeiten, bessere Vereinbarkeit von Arbeit und anderen Lebensbereichen. Laut einer aktuellen Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz fühlen sich 70% der Befragten trotz den erschwerten Bedingungen so wohl im Home Office, dass sie nach der Corona-Krise weiter teilweise zu Hause arbeiten wollen.

Einen besonderen Vorteil, den wohl etliche in den letzten Wochen schätzen gelernt haben, zumindest die Pendler und Pendlerinnen unter ihnen, ist der Zeitgewinn: fertig mit zeitaufwändigen Arbeitswegen! Der Zeitverlust durch den Arbeitsweg im überfüllten ÖV oder im Berufsverkehrsstau fällt weg, der neue, viel kürzere Arbeitsweg vom Zmorgen-Tisch ins Arbeitszimmer schafft freie Zeit für anderes.

Und nicht nur das: Wenn mehr Menschen zu Hause arbeiten, sind weniger auf Strassen und Schienen unterwegs. Es wird dementsprechend weniger CO2 ausgestossen, was wiederum dem Klimaschutz zugute kommt. Laut Schätzungen des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO lag Mitte April die Produktivität der Schweizer Wirtschaft bei immerhin noch 75%, und 70% der Arbeitsnehmenden haben auch weiterhin gearbeitet. Gleichzeitig gab es an Wochentagen auf den Autobahnen rund 30% weniger Verkehr, auf den Agglomerationsstrassen gar bis 70% weniger Verkehr. Der Nachfragerückgang beim Bahnverkehr lag in den vergangenen Wochen bei 80-90%. Setzt man diese Zahlen in Beziehung zueinander, wird rasch klar, dass mit Home office die Schweizer Wirtschaft nicht behindert wird, der Pendlerverkehr aber stark reduziert werden kann.

Viele Menschen wünschen sich schon länger, einen Teil ihrer Arbeitszeit zu Hause zu entrichten. Bislang haben Unternehmen und Verwaltungen dafür nicht viel Gehör gehabt, mit dem Haupteinwand, das sei nicht möglich. Das Home office hat den Härtetest unter erschwerten Bedingungen aber bestanden und somit den Gegenbeweis gebracht: Home office ist durchaus umsetzbar! In diesem Sinn müssen wir umdenken: es braucht mehr Arbeitszeit im Home oder Village office, und weniger Pendlerverkehr. Regionale Gemeinschaftsarbeitsplätze gezielt fördern bringt einen wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Nutzen.

Postulat: Förderung von regionalem Coworking

Luzerner Zeitung, 16.6.2020: Sieben Nationalräte aus sieben Parteien unterstützen ein gemeinsames Projekt