
Was kannst du für dein Land tun?
Meine Rede im Parlament am 11. März 2025.
Wir beschäftigen uns heute mit einer wichtigen Frage unserer Zeit: Wie definieren wir unseren Beitrag zur Gesellschaft? Wie gestalten wir die Zukunft unseres Landes so, dass sie nicht nur sicher, sondern auch stark, solidarisch und gerecht ist? Die Service-citoyen-Initiative gibt uns eine Antwort auf diese Frage: Indem wir den Dienst am Land nicht mehr nur als militärische Pflicht betrachten, sondern als Verantwortung für das Gemeinwohl. Sicherheit wird heute immer noch zu eng militärisch gedacht, aber die Herausforderungen unserer Zeit zeigen uns, dass eine rein militärische Sichtweise nicht mehr ausreicht. Klimawandel, Pandemien, soziale Spannungen oder auch technologische Umwälzungen sind ebenso existenzielle Bedrohungen wie die klassischen militärischen Risiken. Unsere Verteidigungsfähigkeit darf sich daher nicht auf die Armee beschränken, sondern muss die gesamte Gesellschaft umfassen. Eine resiliente Schweiz, die nicht nur militärisch, sondern auch sozial und ökologisch aufrüstet, ist das Gebot der Stunde.
Wer sich für sein Land engagiert, entwickelt zudem ein tieferes Verantwortungsbewusstsein und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Als jemand, der aus einer Randregion und einer sprachlichen und kulturellen Minderheit stammt, würde ich gerne mehr davon sehen.
Natürlich wünschte ich mir auch eine Gesellschaft, zu der alle, ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen entsprechend, rein intrinsisch motiviert etwas beitragen. Dort sind wir aber noch nicht, und wir werden es wohl über mehrere Generationen hinweg noch nicht sein. Die Dienstpflicht, die Militärpflicht, wird nicht abgeschafft werden. Weil ich das anerkenne, habe ich es da ganz mit dem früheren US-Präsidenten John F. Kennedy: «Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst.» Daher macht mir auch diese Pflicht nicht so grosse Sorgen. Überdies würde die Initiative nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention kollidieren, wie uns das Bundesamt für Justiz in der Kommission auch bestätigt hat.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Gleichstellung. Wir alle wissen, dass Frauen heute immer noch den grösseren Teil der unbezahlten Arbeit leisten. Kinderbetreuung, Hausarbeit und Pflege von Angehörigen bleiben weiterhin überwiegend an ihnen hängen. Das bremst ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und hemmt den Fortschritt der Gleichstellung. Deshalb setze ich mich als Mitglied des Kita-Initiativkomitees für eine flächendeckende, günstige, ausserfamiliäre Kinderbetreuung ein, genauso wie für einen paritätischen, grosszügigen Elternurlaub oder die Individualbesteuerung – alles Elemente, um in Sachen Gleichstellung endlich vorwärtszukommen.
Gleichzeitig bleibt die Wehrpflicht nach wie vor ausschliesslich eine Pflicht für Männer. Das steht genauso wie die Schlechterstellung der Frauen in vielen Bereichen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens dem Verfassungsauftrag der gleichen Rechte und gleichen Pflichten entgegen. Wenn wir dieses Ungleichgewicht nicht ernsthaft angehen, werden Frauen in den nächsten Jahren, vielleicht in einer Generation, zur gleichen Dienstpflicht gezwungen werden, die heute nur Männer betrifft. Erste Schritte in diese Richtung werden bereits verhandelt, etwa die Einführung eines Militärpflichttages für Frauen. Die Befürchtung ist also nicht abwegig. Wollen wir wirklich, dass die Gleichstellung durch eine Ausweitung der Wehrpflicht auf Frauen forciert wird? Oder sollten wir nicht vielmehr den Dienst für das Land anders und neu denken und für alle öffnen, aber mit Wahlmöglichkeiten?
Der Service citoyen schafft eine faire Lösung. Alle leisten einen Beitrag an die Gesellschaft, aber auf unterschiedliche Weise. Ob im Militär, im Zivilschutz, in sozialen oder ökologischen Diensten – jede und jeder kann seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechend etwas beitragen. Die Initiative für einen Service citoyen ist eine Chance. Eine Chance, unser Land auf neue Weise zu stärken. Eine Chance, Sicherheit nicht nur militärisch, sondern gesellschaftlich zu denken. Eine Chance, jungen Menschen beim Übergang ins Erwachsenenalter einen Baustein ins Fundament der gleichen Rechte und gleichen Pflichten zu legen.